Der Schalenstein von Meltingen
Fundorte der ursprünglich zwei Schalensteine
Es waren ursprünglich zwei Schalensteine vorhanden. Der erste Stein war am Rand der Hauptstrasse am südlichen Dorfausgang platziert, ungefähr auf dem roten Punkt im nachfolgenden Bild (heutige Ansicht des ursprünglichen Standorts).
(Koordinaten E 7° 35' 27” / N 47° 23' 13" - Foto: Alphons Jeger, 20.8.2018)
Dieser Schalenstein wurde ca. im Jahr 1965 beim Bau der Hauptkanalisation und des Trottoirs von einem Raupenfahrzeug in schroppengrosse Stücke zermalmt, obwohl der Berichterstatter am Tage vor Baubeginn die damaligen bauverantwortlichen Gemeindebeamten auf die mögliche Bedeutung des Steins hinwies. Der Stein befand sich ca. 60 cm tief im Erdreich und reichte nur etwa 20 cm über das Terrain hinaus. Der Stein war ungefähr gleich gross wie der heute beim Gemeindehaus an der Grabenstrasse erhaltene Schalenstein.
Der zweite noch existierende Schalenstein war am nördlichen Dorfeingang an der Marchstrasse platziert. Er ist auf der nachfolgenden Radierung von Hugo Hänggi (datiert vom 10.04.1961, roter Pfeil, Blickrichtung nach Zullwil) bei der Hausecke am alten Marchweg deutlich zu erkennen.
(Koordinaten des Fundorts: E 7° 35' 26" / N 47° 23' 20")
Bei der Verbreiterung der Marchstrasse wurde der Schalenstein um ca. 30 m in Richtung Hauptstrasse verlegt. Er diente dort auf einer kleinen Plattform als Verkehrsabweiser. Weil der Schalenstein für diesen Platz etwas zu gross war, wurde er mit einem Meissel bearbeitet!
Beim nachfolgenden Abbruch der alten Liegenschaft an der Marchstrasse setzte sich der Berichterstatter mit den Einverständnissen des Kantonsarchäologen und des damaligen Gemeinderates für die Verlegung des Schalensteins in die an der Nordseite des Gemeindehauses befindliche Rabatte ein.
(Koordinaten: N 47° 23' 16" / E 7° 35' 21" - Foto: Alphons Jeger 20.8.2018)
Gedanken und Feststellungen zu den Schalensteinen von Meltingen
Die heutige Marchstrasse, an der der erhaltene Schalenstein entdeckt worden ist, dürfte einst die Hauptverbindung zum Dorf Meltingen gewesen sein. Mit grosser Wahrscheinlichkeit war es damals nicht möglich, von der Meltingerbrücke dem Bach entlang ins Dorf zu kommen, wie dies heute der Fall ist. Das Gebiet war damals wegen den Felsen schluchtähnlich, die Landschaft war sumpfig und bis ca. 1850 mit einem Mühleweiher bedeckt. Es muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass beide Schalensteine von Menschenhand mehrere hundert Meter weit an die beiden vorgängig beschriebenen Standorte transportiert worden sind. Geologisch ist die Umgebung bei beiden
Fundorten lehmig und ohne Steine, die grösser als wenige Zentimeter sind. Eine Anschwemmung durch Wasser dürfte in beiden Fällen aufgrund der geologischen Umgebung ausgeschlossen werden. Ebenso sind die Meltinger Schalensteine mit Sicherheit keine erratischen Blöcke, die durch eiszeitliche Transporte bewegt wurden, wie dies bei vielen Steinen südlich des Juras der Fall ist. Ein möglicher Abbauort der beiden Schalensteine könnte bei der Meltingerbrücke gewesen sein (Luftlinie ca. 500 bis 800 m entfernt zu den beschriebenen Standorten).
Der Schalenstein von Meltingen ist bis jetzt der einzige, der innerhalb des Schweizer Juras entdeckt wurde. Es handelt sich um einen Kalkstein im Gegensatz zu den meisten anderen Steinen, die aus Granit oder ähnlichem Material bestehen.
Die zwei Schalensteine von Meltingen dürften mit grosser Wahrscheinlichkeit einen Zusammenhang haben mit der Mineral- und Heilquelle, wie sie namentlich genannt zwischen den Jahren 1915 - 1994 kommerziell genutzt wurde.
Es ist auch wahrscheinlich, dass unter dem grossen Bau des heutigen, ehemaligen Bad- und Kurhauses, welches schon im Jahre 1480 erwähnt wird, die ersten archäologischen Spuren zu finden wären, welche mit der früheren Nutzung der Mineralquelle zusammenhängen.
Schalen- und Zeichensteine
Eine im Kanton Solothurn verhältnismässig zahlreiche Erscheinung sind jene erratischen Blöcke, die mehr oder minder zahlreiche künstliche Schalen (kleine u. grössere) in verschiedenster Anordnung aufweisen und die man als Grabmäler, Stern- oder Wegkarten, Opfersteine usw. gedeutet hat und die sicher prähistorischen Alters sind. Zurzeit sind im Kanton Solothurn ca. dreissig Schalensteine dokumentiert. Siehe Inventar der Kulturgütergruppe Steindenkmäler der Schweiz
Anthropogene, d.h. vom Menschen künstlich erzeugte Schalen sind in der ganzen Schweiz und auf allen Kontinenten verbreitet und finden sich in ganz Europa auf erratischen Blöcken oder auf anstehenden Felspartien, sowie auch auf alten Grabsteinen, Hausschwellen, Kirchenwänden und Kirchenmauern. Tausende von Steinen und Felsoberflächen mit Schalen und teilweise mit Gravuren, geometrischen Figuren oder Darstellungen von Menschen und Tieren gibt es im Alpenraum, Tessin, Graubünden und in den italienischen Tälern um Pinerolo östlich von Turin, im Veltlin, im Trentino, sowie im Südtirol. Dort besonders im Vinschgau und in der Gegend von Brixen.
Schalensteine sind einfach Zeugen einer kulturellen Hinterlassenschaft unserer Vorfahren. In den Schalensteinen schlummern noch viele Geheimnisse.
Die ältesten in der Schweiz gefundenen Schalensteine werden der Mittelsteinzeit (8'000 bis 4'500 v. Chr.) und der Jungsteinzeit (4'500 bis 1'500 v. Chr.) zugeschrieben. [Quelle: wiki.stadtgeschichte-grenchen.ch]
Mehr über Schalensteine in der Schweiz erfahren sie in folgender Publikation (PDF) von Urs Schwegler: "Was sind Schalensteine"
Generelles zu Schalensteinen, Quellen, Heiligtümern und Ortsnamen
Es ist hinlänglich bekannt und schon von griechischen und römischen Chronisten beschrieben, dass Quellen zur sogenannt heidnischen und römischen Zeit als Quell-Heiligtümer betrachtet wurden. Die seit der Vorzeit verehrten Quellen sind teilweise christianisiert worden und deshalb noch in Nutzung und nicht selten sind es heute Wallfahrts- und Kraftorte.
Diese Verehrung der Quellen und Brunnen auch in den umliegenden Ländern war schon in urgeschichtlicher Zeit ein wichtiges Element religiösen Lebens. Dem geheimnisvoll aus dem Erdboden hervortretenden Wasser in Germanien und Gallien (Deutschland und Frankreich) wurden diesen Naturerscheinungen göttliche Kräfte zugeschrieben, bzw. wurden später die Brunnen und Quellen Wohnorte von göttlichen Wesen. Heilige Quellen entspringen im Schutz heiliger Bäume. Kirchen, Kapellen und Klöster nahmen oftmals eine Quelle zum Gründungsanlass.
Im deutschsprachigen Raum finden wir noch heute viele kleine und große Heiligtümer und Ortsnamen mit -brunn, welche die alte Tradition des Quellkultes weiterführen: z.B: Brunn am Gebirge, Mariabrunn, Maria Fieberbrünnl, Maria Saal., Maria Schutz in Bad Leonfelden usw. Bei den meisten Wallfahrtsorten finden wir als Zentrum ihres Kultes eine Heilige Quelle, die zur Heilung von Leib und Seele dient.
In Österreich sind z.B. dutzende solcher Orte beschrieben, wo Heilquellen und kirchliche Gebäude in Verbindung stehen. Sehr häufig auch Schalensteine oder Lochsteine vorhanden sind. Diese Steine werden auch Kindlisteine oder Heidensteine, Lichtsteine etc. genannt.
Auch auf deutschem Gebiet gibt es einige Quellheiligtümer, z.B. die Apenteichquelle in Niedersachsen, die Quellheiligtümer Wallenborn, Hochscheid oder Heideborn bei Trier. [Siehe auch Quellenkult]
Die keltische Verehrung von Quellen, Brunnen, Seen und Flüssen läßt sich recht gut rekonstruieren, wenngleich auch dort keine Bauwerke errichtet wurden. Man fand eine Unzahl von Votivgaben, die in den Gewässern versenkt wurden. Manchmal waren es Münzen. Mehr dazu unter folgendem Link Keltische Glaubenswelt
Die Schalensteinforschung ist auch ein Tummelfeld von Esotherikern und Phantasten, welche die wildesten Theorien wie Opferkult, Mondkalender, Vermessungsfixpunkte und vieles mehr verfechten.
Nach dem heutigen Wissensstand gibt es keine Fakten, wieso unsere Vorfahren in mühseliger Arbeit diese Steine, zu Tausenden in Europa, bearbeitet und geschliffen haben.
Autor: Alphons Jeger-Hänggi