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Das alte Bad Meltingen

1480 - 1889

Ein Auszug aus Geschichte der Heilbäder im Kanton Solothurn (Seiten 139-141)

Autor: Schubiger, F.
Zeitschrift: Jahrbuch für solothurnische Geschichte
Band (Jahr): 6 (1933)

 

Geschichte des alten Bades von Meltingen, welches 1480 erstmals erwähnt wird.

Meltingen liegt nicht wie Attisholz und Lostorf in der Nähe einer alten Heer- und neuen Automobilstraße, sondern verborgen in einem Seitental der Birs, vom Hauptteil solothurnischen Gebietes durch die Jurahöhen getrennt, geographisch und wirtschaftlich nach Norden, gegen Basel orientiert. Aber politisch gehört der Ort als Teil der alten Herrschaft Gilgenberg seit Jahrhunderten zu Solothurn, und das Bad war wie die bisher besprochenen Anstalten ein Lehen der Stadt. Wie in Lostorf, so war auch hier der Lehensträger der faktische Besitzer, musste zwar beim Lehensantritt um die Belehnung Einkommen und einen „Erschatz" zahlen, war aber im Übrigen unabhängig, konnte die Liegenschaft verkaufen, oder auf seine Erben übergehen lassen; ihm lagen Unterhalt und Erneuerung des Hauses ob. Die Lehenträger waren meist Leute aus der Umgegend; am längsten saßen auf dem Bad Mitglieder der Familie Wyß von Büren in der Vogtei Dorneck, nämlich von 1759 bis 1858, also genau hundert Jahre. Aber auch Stadtsolothurner, Angehörige regimentsfähiger Familien, finden wir in Meltingen; so anno 1675 den Urs Buch, der sich durch einen Umbau des Bades verdient machte. Er hat „das Bad auf ein Neuwes widerumb in sinen eignen Kosten geäuffnet und das alte schlechte Haus in ein neuwes wohlgebautes veränderet"1) Im 18. Jahrhundert besaßen wiederum Patrizier das Lehen, Frau Statthalterin Besenval und, durch Erbschaft, Mitglieder der Familie Grimm von Wartenfels. Sie haben nicht selber in Meltingen gewirtet, sondern den Betrieb einem Pächter überlassen.

Das 19. Jahrhundert brachte für Meltingen die Lehensablösung; anno 1864 wurde der damalige Wirt, Benedikt Kohler von Seehof, unbeschränkter Eigentümer gegen eine Loskaufssumme von 300 Franken; der geringe Betrag stützt sich auf die damals von einem neuen Lehensträger erhobene Handänderungsgebühr von 200 Franken.2)

 

Die Meltingerquelle ist ein kaltes erdiges Wasser; sie ist wegen ihres besonders starken Gehalts an Gips als Gipswasser zu bezeichnen. Die Verwendung ist dieselbe wie beim Attisholzwasser, nur ist der Mineralgehalt viel reicher. Das Vorkommen von Eisen macht die Quelle auch zur Behandlung von Blutarmut geeignet. In seiner populären, wenig kritischen Art sagt der Chronist Haffner bei der Beschreibung der Vogtei Gilgenberg folgendes über Meltingen: „Es ist ein lustig Bad, nutzet den müden Glidern, trücknet aus, erwärmbt die kalten Nerffen, zertheilt die Fluß, stärket den blöden Magen und befördert die Dauung; es wird von Innwohnem und Benachbarten vil besucht".3) Einer alten Badschrift ist zu entnehmen, daß früher die kinderlosen Basler Damen, die sich Nachkommenschaft wünschten, nach Meitingen zur Kur kamen.

Es ist schwierig, sich an Hand spärlicher und dazu widersprechender Berichte ein Bild vom Kurbetrieb eines kleinen Bades wie Meltingen zu machen. In einer Beschreibung von 1830 lesen wir: „Die Anstalt besteht aus einem großen klösterlichen Haus, dessen innere Einrichtung gut und bequem, in welchem aber der Ton steif und geziert ist".4) Gehen wir aber in ältere Zeiten zurück, so scheint ein recht munteres Badeleben geherrscht zu haben. Es geht dies aus den besonderen „Freiheiten", den Privilegien hervor, welche das Bad von der Obrigkeit zum Zwecke größerer Annehmlichkeit und Unterhaltung der Badgäste erhielt. Einem „Freiheitsbrief", der anno 1680 dem schon erwähnten Urs Buch ausgestellt wurde, entnehmen wir Folgendes: Es war den Kurgästen erlaubt, an sonst gebotenen Fasttagen in ihren Zimmern in secreto (d.h. insgeheim) Fleisch zu kochen und zu essen; doch sollte dies behutsamlich und ohne Ärgernis geschehen. Das war offenbar eine Konzession an die reformierten Besucher; sie galt nur für die Gäste, die eine richtige Kur machten, nicht für solche, „welche nur drey oder vier Tag lustweys dahinkommen".5) Für die Fastenden war übrigens auch gesorgt; denn der Fischbehälter war gut versehen; wenigstens gingen, als einmal der Wasserzufluß ausblieb, hundertfünfzig große Forellen zugrunde.6)

Zum Essen das Trinken! Der Wirt durfte „allerhand frömden köstlichen Wein ausschenken", aber nur den Fremden, nicht den Einheimischen, die sich mit gewöhnlichem Landwein begnügen mußten. — Und das Dritte in einem Badbetrieb: Das Tanzen! „Die Spielleuth vergönnen wir den Badgästen im Bad- und Wirtshaus", d. h. es durfte daselbst aufgespielt werden, „jedoch mit Bescheidenheit und Ehrbarkeit"; ausgenommen waren hohe Fest* und Feiertage, ferner die Wochentage Freitag und Samstag, als Leidenstage des Herrn, endlich die Vorabende der Muttergottestage, weil zu solcher Zeit zahlreiche Pilger zum Gnadenbilde in der Kirche zu Meltingen wallfahrteten. An allen gewöhnlichen Sonn* und Feiertagen durfte aufgespielt werden nach dem Gottesdienst — gemeint ist offenbar die Vesper. Dieses weitgehende Tanzprivileg gab später viel zu reden. Als im Jahre 1752 die

Regierung eine neue strengere Tanzordnung für das solothurnische Gebiet erließ, zum Schaden der Kurorte, bat der damalige Lehensträger Balthasar Grimm die Obrigkeit, seinen Lehenswirt „von der Verordnung zu dispensieren, da er wegen dem gemachten Verbot die Badgäst verloren und ußert Stand sich sehe, den alljährlichen Zins abrichten zu können". Trotz der geschickten Formulierung des Gesuches trat die Behörde nicht darauf ein. Und noch vor wenigen Jahrzehnten, im Jahre 1889, wiederholte sich dasselbe Spiel. Die Badwirte von Meltingen und Flüh erhoben Rekurs gegen das Tanzgesetz, das nur bestimmte Sonntage als Tanztage festsetzte; aber der Kantonsrat wies sie ab, weil staatliches Gesetz privatem Recht vorgehe, und weil im Freiheitsbrief von 1680 die „Spielleuth nur den Badgästen vergönnen sind", was kein Recht zu öffentlichem Tanz gebe.7)

Die fröhlichen Vorrechte des Badhauses lassen vermuten, daß Meltingen immer heitere Tage gesehen hat; leider gab es aber auch trübe Zeiten des Niedergangs. Ums Jahr 1700 geriet, durch Verschulden des Badwirts Leonz Altermatt, das Haus „in Dach und Gemach in zimlichen Abgang", so dass es „von dem Regen eingeschirmt" werden mußte. Altermatt kam bald darauf in Konkurs und die Liegenschaft zur Zwangsversteigerung. Aber auch in den letzten Jahrzehnten machte das Bad unter häufig wechselnden Besitzern widrige Schicksale durch. Umsomehr ist es zu

begrüßen, daß es vor einigen Jahren in die Hand einer Gesellschaft übergegangen ist, an deren Spitze angesehene Männer der Gegend stehen. Das Haus ist umgebaut und eine neue Badanlage errichtet worden. Zur Herstellung des kohlensäurehaltigen „Meltinger" Tafelwassers, sowie des mit Süßstoff versehenen „Meltina" dient eine moderne maschinelle Anlage. So feiert das altberühmte Heilbad des Schwarzbubenlandes eine erfreuliche Renaissance.

Quellangaben:

  1. Sol. Wochenblatt 1847. Beiträge, pag. 72. Ratsman. 1675, pag. 121. 1700, pag. 570. 1701, pag. 508, 509, 735. 1702, pag. 265, 282. 1703, pa. 69, 127. 1738, pag. 45. 1759, pag. 1090. 1771, pag. 346. Freiheitsbrief 1680. Acta Gilgenberg. Lechenbuch Gilgenberg Nr. 14. Tavernenbriefe Nr. 40. Prot, der Verwaltungskammer 1786. K. S., pag. 147.
  2. Ratsman. 1864, pag. 413, 430.
  3. Haffner: Schauplatz, pag. 434.
  4. Bäder in der Schweiz. Aarau 1830 (Zentralbibliothek Solothurn).
  5. Freiheitsbrief 1680, siehe auch unten.
  6. Ratsman. 1729, pag. 143.
  7. Ratsman. 1755, pag. 510. Kantonsratsverhandlungen 1889, pag. 197.

 

Freiheitsbrief für das Badhaus zu Meltingen 1680

Auszug aus Geschichte der Heilbäder im Kanton Solothurn (Seiten 147-148)
 

Wir Schultheiß und Räth der Statt Solothurn thuen kund unndt zu wüssen hiermit, daß, alldieweylen unnser Mitrath lieber unndt getreuwer Urs Buch vor ettlichen verstrichnen Jahren das Baad zu Meltingen in unnser Herrschaft Gilgenberg gelegen, auf ein neuwes widerumb in seinen eignen größten Kosten geäuffnet unndt das alte schlechte Haus in ein neuwes wohlgebauwenes verenderet, wir Anlaß genommen, auff sein vorgehendes bittliches Anhalten hin, selbiges mit etwelchen und hiernach specificierten Befreyungen gnädigst anzusechen.

Benantlichen, daß diseres Baad nit weniger mit den sonst anderwärtig gewohnlichen Baads- und allhier ausgedruckten Freyheiten soll begäbet, also der Baadwirth befuogt sein, den Baadgästen und denen welche die Baadchur alldorten würklich brauchen, mit vorgehender Erlaubnus des disörthigen Pfarrherrn an den ohne diß verbottenen Tagen das Fleisch in Secreto und ihren Cameren bhutsamblich ohne sonderbahre Ärgernus kochen und essen zelassen; nit aber Jenen welche nur drey oder vier Tag lustsweys dahinkommen.

Zudemme wird ihme hiermit gnädig zugesagt und vergönstiget, der Notwendigkeit nach in das Baadhaus einzumezgen, auch allerhand Wein auszuschenken, zwar nach dem Preys wie die Frömbde mit ihme Übereins kommen möchten; allein soll es nur für die Baadgäst gemeint und er nit befüegt sein, von solchem frömbden und köstlichen Wein unseren Underthanen dasselbsten auszugeben; den gemeinen Landt- und andern Wein danethin belangendte, wird er änderst nit als lauth unserem jeweiligen Tax zu verkhauffen Macht haben, anbey, wo er kann debitirn, auch unns jährlichen unndt eines jeden Jahrs für das Umb- und Vierer Gelt sechzig Pfund Stebler zuhanden unseres Vogts zu Gilgenberg, der es gehörigen Orthen zu verrechnen zewüssen wird, geflissentlich entrichten und dis, so lang die Anlaag des Vierergelts bestehn wird, nach Aufhebung deren dann von einem andern Tax des Umbgelds solle geredt und mit ihme gebührendt überkommen werden.

Undt damit dieses Baad auch sein notwendiges Brennholtz habe, wollen wir obbedeutem unnserem Mitraht oder dem Baadwirth jährlichen Sibenzig Klaffter Brennholtz, wo sich unnsere disörthigen Underthanen beholtzen, für das Baad und Wirthshaus erloubt haben und dis, so lange das Baad und Wirthhaus beyeinander sein und einer allein selbige beyde besitzen wird; im Fahl aber solche über kurtz oder lang von einandern separiert werden sollten, wird es alsdann zu unnser Gnaden Disposition stehn, die erforderlichen Moderationen harinnen zu verschaffen. Dise vorerwente sibentzig Claffter aber soll er zu beyden erstberürten Häusern allein gebrauchen, von selbigen keines anderwärthig verkhauffen, verwenden noch verkohlen lassen.

Die Spielleuth entlichen vergönnen wir den Baadgästen im Baad- und Wirthshaus, jedoch mit Bescheidenheit und Ehrbarkeit; allein wollen wir excipiert und ausgenommen haben alle hoche Feyr- unndt Festtag, wie auch den Abendt aller U. L. Frauentag, nit weniger Frey- unndt Sambstag; jedoch soll ihnen zugegeben seyn, sich deren zugebrauchen an gemeinen Sonn- und Feyrtägen nach dem Gottesdienst.

Des Pfrundpfennigs anbetreffend, so vermög Anno 1480 auffgerichten Jahrzeitbuech von dem Baad Meltingen der Pfruendt dasselbsten hätte jährlichen entrichtet werden sollen, wirdt obengesagter unnser Mitraht für baß eines jeden Jahrs dem Pfarrherren abstatten unndt bezahlen. Unndt obwohlen unnser jeweiligen regierende Schultheiß alle Schlaghändel, groß und kleine Fräffel, Verbrechen, wie das Namen haben mag, in diesem Baadhaus zu rechtfertigen und hierüber zu decidiren hätte, solches aber von unser Haubtstatt weit entlegen, wollen wir, daß die gebührende Abstraffung des eint oder anderen durch unnseren Vogt, der zu Gilgenberg sein wird, beschechen und unns die Bueßen an seinem Orth geflissentlich verrechnet werden thuen.

Zu mehrer Bekräftigung um obgeschribner Dingen haben wir unnser gewohntes Ehrensecret Insigel hieran henckhen und mit unnseres Stattschreibers aignen Handsignatur underziechen lassen wollen. So beschechen, da von unns hierbey gewesen Haubtmann Johann Georg Wagner, Ritter, Ambtsschultheiß; Urs Sury, Seckelmeister; Christoph Tscharandi; Johann Heinrich Byß; Haubtmann Johann Ludwig von Roll; der eitern-, Gemeinmann Philipp Glutz; Johann Jakob Rudolff; Haubtmann Johann Schwaller; Urs Jacob Schwaller, Burgermeister; Haubtmann Johann Carl Grimm; Johann Victor vom Stall; Bauwherr Wolfgang Gibelin; Urs Gugger; Frantz Brunner; Johann Frantz Wallier; der Jüngern Räthen.

Freytag den zechenden Monatstag May, als man zahlt von der gnadenreichen Geburt Jesu Christi Eintausend sechshundert und achzig Jahr. 1680. [Quelle: Staatsarchiv, Gilgenberg Acta 1400—1800]

 

Badwirte zu Meltingen (Bis zur Ablösung des Lehens 1864)

Auszug aus Geschichte der Heilbäder im Kanton Solothurn (Seite 148)

1450—1475 Clewi Wiggli, Clewi Balmer, Jakob Spürer, Hans Schaubi (diese vier aus unsicherer Quelle); 1675 Urs Buch; ein Burkardt aus Basel; Leonz Altermatt, vergeldstagt um 1700; Thomas Spät 1702; Hans Georg Berger 1729; Frau Statthalterin von Besenval geb. Sury, von 17..—1743; dazwischen Josef Rauber von Egerkingen 1735; Landvogt Franz Joseph Grimm von Wartenfels 1744; Balthasar Grimm 1752; Heinrich Grimm 1758; Familie Wyß von Büren 1759—1858 (Franz, Franz Martin, Ferdinand, Johann Baptist, Adolf); Josef Hänggi und Josef Jeger 1858; Gemeinde Meltigen; Benedikt Kohler von Seehof 1864.

 

weitere Literatur:

1480: uon dem bad zuͦ meltingen ... wer das bad in handen haut der mag wol win ſchencken in dem meigen iiij wuchen (Melt Kir Jzb 71) 1604: daſ badt húſſ (Melt Kir Ber 1513–1721 npag.) 1666: Meltinger Bad (Haffner, Schaw-Platz 2 2, 434) 1675: Bad Zú Meltingen (Thie Akt 1 76) 1678: badhaúß Meltigen (Thie Akt 1 75) 1679 (1480): Von dem bad Zú Meltingen (Thie Akt 1 73) 1703: daſ Baad Von Meltingen (Thie Akt 1 83) 1744: das baad Zúe meltingen (Thie Akt 1 80) 1767: Bad (WalserK BS) 1825: Patdiſt wis batwirth in Meltigen (Zull Gb 1825 319) 1825: Johan batiſt wÿß bad wirt (Melt Gb 1825 299) 1840: Meltingen ... Bad (Leuthy, Reise durch die Schweiz 280–281) 1864: das Badhaus (Antiqu Korr 321) 1889: Kur- und Badanstalt Meltingen (SO Adressbuch 51) 1889: Bad Meltingen (SO Adressbuch 15) 1889: z. Bad (SO Adressbuch 34) 1895: im Mälltiger Bad (Binz, Lebenslauf 1,58 / Binz, Unstet S. 75) 1955: dass das Bad noch im 15. Jahrhundert recht bescheiden war (Sigrist, Meltinger Bad 131f)

 

Bericht erarbeitet durch Alphons Jeger-Hänggi und Martin Jeger

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